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Rückblick 2022

Veranstaltungen 2022

„Soll die Frau denn immer nur schweigen …?“

JUBILÄUM 100 Jahre Katholischer Frauenbund Ellingen / Festrede hielt die frühere Staatsministerin Emilia Müller

Was für ein Sonntag – bei strahlendem Sonnenschein und ansteckender Freude feierte der Katholische Deutsche Frauenbund Ellingen (KDFB) seinen hundertsten Geburtstag. Die Begeisterung am großen Jubiläum stand dem Leitungsteam des Zweigvereins geradezu ins Gesicht geschrieben. Wäre da nicht ein kleiner Wermutstropfen gewesen: Denn Domvikar Dr. Thomas Stübinger, Pfarrer von St. Georg und geistlicher Beirat des KDFB, hatte sich mit Corona infiziert. So konnte er das denkwürdige Ereignis lediglich durch aufmunternde Grußworte bereichern.

Ihn vertrat beim Gedenkgottesdienst Pfarrer i.R. Willibald Brems. Von der Bläsergruppe der Deutschordenskapelle und dem Kirchenchor kraftvoll begleitet, wählte Brems in der festlich geschmückten Kirche eine Bildrede Jesus‘ aus der Bergpredigt als Leitmotiv für seine Ansprache: „Ihr seid das Salz der Erde…“. Er hob die bedeutsame Mitarbeit von Frauen im heutigen Kirchenwesen vor und lobte die Ellinger Frauen als „lebendige Gemeinschaft“ auch nach hundert Jahren. Unter Verweis auf die Wichtigkeit von Frauen, die heute als Ministrantinnen, Lektorinnen, Mesnerinnen, Pfarrgemeinderätinnen oder Pastoralreferentinnen das Leben der Kirche prägen, sicherte er ihnen im würdevollen Festgottesdienst zu: „Wer glaubt, ist nicht allein“. Der Mensch brauche die Gemeinschaft, und der Zusammenhalt in vielen Fragen sei auch künftig von großer Bedeutung.

Welcher Zusammenhalt gemeint war, das schilderte Gertraud Schock als Sprecherin des KDFB Ellingen in ihrer Begrüßungsrede im Gemeindesaal. Am Anfang des Zweigvereins Ellingen stand ein offenbar sehr bemerkenswerter und überzeugender Vortrag im Gasthaus „Römischen Kaiser“. Denn noch am selben Abend, am 19. Juni 1922, fand – wahrscheinlich oben im Festsaal - die Gründungsversammlung statt. Es war eine Zeit, da eine Frau ohne Erlaubnis ihres Mannes weder alleine ausgehen noch einen Beruf ausüben durfte. Erst nach und nach konnten Frauen auf Augenhöhe am kirchlichen wie gesellschaftlichen Leben teilnehmen und sich eine partnerschaftliche Gleichberechtigung erkämpfen.

Als einer der wenigen Männer im Saal („ob ich überhaupt kommen darf?“) sprach Bürgermeister Obernöder in seinem kurzen Grußwort von mutigen und starken Frauen, die auch heute noch wichtige Ziele voranbringen und mitgestalten. Er wünschte den etwa 80 anwesenden Damen im Saal einen harmonischen Geburtstag und ein weiterhin langes Fortbestehen.

Prominentester Gast des Jubiläums war sicher Emilia Franziska Müller – ehemals Mitglied des Europäischen Parlaments, Staatsministerin in Bayerischen Kabinetten und heutige Landesvorsitzende im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB). Sie setzte beim Festakt die politischen Akzente, sprach von enormer Frauen-Power, sozialem Engagement, von der Zukunftsfähigkeit der Kirche und von großen Fortschritten, die errungen wurden: „Als der Frauenbund in Ellingen gegründet wurde, waren Frauen in Kirchenämtern noch undenkbar gewesen“. Nicht zuletzt der KDFB hätte viel Bewegung in die Kirche gebracht. Müllers stärkstes Postulat: „Wir fordern den Zugang … zu allen Diensten und Ämtern der Kirche – unabhängig vom Geschlecht.“

Bei dieser Gelegenheit wies sie auf die zahlreichen Text- und Bildtafeln im Gemeindesaal hin – eine nicht nur für Frauen inhaltlich interessante Wanderausstellung, die vor allem der Vorkämpferin für Frauenrechte, Ellen Amman, gewidmet ist. Von der KDFB-Gründerin und Frauenrechtlerin stammen unter anderem die Äußerungen: „Es ist einem deutschen Mann … schwer zu beweisen, dass Frauen gleich viel wert sind, wie die Männer …“ und: „… soll die Frau denn immer nur schweigen …?“. Zitate aus dem Jahr 1897. Die sehenswerte Ausstellung ist übrigens ab sofort und für einige Zeit in der katholischen Stadtkirche zu sehen.

Es hätte noch lange gedauert, so Emilia Müller, bis tatsächlich Bewegung in die alten Strukturen kam. Heute setze sich der Frauenbund nicht nur in der Kirche ein, sondern auch in Politik und Gesellschaft. Damit meinte sie unter anderem die zahlreichen Bildungswerke und Beratungsstellen des KDFB, die auf allen Ebenen hervorragende und unverzichtbare Arbeit leisteten. Kritische Töne verband Emilia Müller mit dem Vermerk: „Wir leben mit Überzeugung unseren Glauben und sehen nicht tatenlos zu, wie die … katholische Kirche stetig kleiner wird.“  

„Wir sind eine starke Stimme für Frauen - mit 150.000 Mitgliedern sind wir sogar der größte Frauenverband in Bayern“, freute sich die Landesvorsitzende. Das Frauenbild und die Stellung der Frauen in der Gesellschaft hätten sich nicht zuletzt durch die ehrenamtliche Arbeit im KDFB deutlich zum Positiven verändert. Ohne den Frauenbund wären manche Fortschritte in der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern kaum denkbar. Darum sei es wichtig, dass der KDFB weiterhin ständig in Bewegung bleibe. Der Vorstandschaft und ihren motivierten Mitgliedern, die mit viel Herzblut bei der Sache seien, wünschte sie ein weiterhin lebendiges und starkes Wirken in einer lebendigen Gemeinschaft.  

 Auch für den Nachmittag des Jubiläums hatte sich das Führungsteam des Ellinger Zweigvereins allerhand einfallen lassen: So standen Stadt- und Schlossführungen ebenso auf dem Programm wie eine Kutschfahrt durch die Deutschordensstadt und - im Archiv - „ein Stöbern in alten Zeiten“. Schließlich konnte auch der festlich gestaltete Gemeindesaal mit all den hübschen Tischdekorationen nicht übersehen werden. Allein Maritta Hanschmann hatte für jede Frauenbundfrau ein Mobile mit Herzchen gebastelt - zur Erinnerung an den großen Geburtstag des Frauenvereins.  (ps)

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB)

1903 gegründet, ist ein eingetragener Verein katholisch und ökumenisch engagierter Frauen mit deutschlandweit rund 180.000 Mitgliedern in 1.800 Zweigvereinen verteilt auf 21 Diözesen. Ziel des Vereins ist nach eigener Darstellung, am Aufbau einer Gesellschaft und Kirche mitzuwirken, in der Frauen und Männer partnerschaftlich zusammenleben und gemeinsam Verantwortung tragen für die Zukunft in einer friedlichen, gerechten und für alle lebenswerten Welt. Der Verein bietet eine Reihe von Seminaren zu spirituellen und biblischen Themen an. Ein weiteres Ziel ist, Frauen durch Bildungsangebote ein politisches Grundwissen zu vermitteln, um sie mit aktuellen politischen und sozialen Themen und Entwicklungen vertraut zu machen. (aus wikipedia)

Bericht und Bilder: Schafhauser Peter